Hans K. ist mit Petra K. 22 Jahre verheiratet.
Beide hatten zu Beginn ihrer Ehe kein Vermögen. Hans hat sich während der Ehe
einen Handwerksbetrieb aufgebaut, beschäftigt mehrere Mitarbeiter und hat auch
Ersparnisse erzielt. Seine Ehefrau ist im öffentlichen Dienst beschäftigt.
Nach 22 Jahren Ehe hat die Ehefrau sich von
Hans getrennt. Beide Ehegatten hatten zunächst wenig zu regeln, da die Ehefrau
genügend eigenes Geld verdiente, um für sich selbst sorgen zu können. Es bestand
lediglich eine räumliche Trennung, jeder ging seine eigenen Wege.
Nach zwei Jahren reichte Hans die Scheidung
beim Familiengericht ein. Er beabsichtigte seine neue Lebensgefährtin zu
heiraten. Petra erklärte zunächst, sie wolle sich nicht unbedingt scheiden
lassen. Sie wolle ohnehin nicht wieder heiraten. Gleichwohl nahm das
Scheidungsverfahren seinen Lauf.
Während das Scheidungsverfahren noch lief,
verstarb Hans, der mit Petra keine Kinder hatte, überraschend nach den Folgen
eines Verkehrsunfalls. Petra blieb als in Scheidung lebende Ehefrau zurück.
Daneben hinterließ er als Verwandte lediglich seine Schwester. Seine Eltern
waren bereits verstorben.
Petra und die Schwester von Hans stritten
darüber, wer jetzt Erbe geworden sei. Die Ehefrau Petra war der Auffassung, sie
habe neben der Schwester zu ¾ geerbt, die Schwester nur ¼, die Schwester ging
davon aus, dass sie alleine geerbt hätte. Sie begründete ihre Auffassung damit,
dass das Ehescheidungsverfahren kurz vor seinem Abschluss gestanden hätte.
Hans hatte zu Gunsten seiner neuen
Lebensgefährtin eine Lebensversicherung in Höhe von 100.000,00 Euro
abgeschlossen.
Wer hat nun Recht?
Der saarbrücker Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Erbrecht Marwin H. Roth erklärt hierzu, dass die Trennung der
Eheleute und auch die Einleitung eines Ehescheidungsverfahrens alleine keinen
Einfluss auf die Erbposition der Eheleute haben. Selbst eine langjährige
Trennung hat keine Auswirkungen auf das Erbrecht. Vielmehr kommt es
ausschließlich darauf an, ob zum Zeitpunkt des Ablebens von Hans das
Ehescheidungsverfahren so weit fortgeschritten war, dass ohne seinen Tod und
ohne weitere Verzögerungen die Ehe hätte geschieden werden können (§1933 BGB).
Dies ist immer dann der Fall, wenn beide
Ehegatten die Scheidung erkennbar wollen oder sie beantragen. Ein
Einverständnis mit einer Scheidung hätte von Petra auch während eines
Ehescheidungsverfahrens zum Ausdruck gebracht werden können.
Ist die Ehe mehr als drei Jahre getrennt,
reicht es sogar aus, wenn nur eine der Scheidungsparteien die Ehescheidung
beantragte und ernsthaft geschieden werden wollte.
Die Schwester und Petra argumentierten vor dem
Nachlassgericht genau gegensätzlich. Die Schwester behauptete, ihr Bruder habe
ihr berichtet, die Scheidung sei praktisch durch und er warte auf den
Scheidungstermin, Petra argumentierte, er sei sich gar nicht mehr so sicher
gewesen.
Das Nachlassgericht wird in solchen Fällen in
die Scheidungsakte Einblick nehmen. Geht das Nachlassgericht von einer
Scheidungsreife aus, wird die Ehefrau leer ausgehen. In diesem Fall würde
tatsächlich im Zuge der gesetzlichen Erbfolge die Schwester alleine erben, weil
sie die einzige leibliche Verwandte zweiter Ordnung ist. Die einzige Chance der
Ehefrau, noch etwas aus dem Vermögen des Verstorbenen zu bekommen, liegt darin,
dass sie möglicherweise Zugewinnansprüche haben würde. Die Zugewinngemeinschaft
endet entweder durch Tod oder Scheidung.
Unter normalen Umständen hätte Petra im Zuge
der Scheidung einen Zugewinnausgleich erhalten müssen, weil der Zugewinn bei
ihrem Ehemann während der Ehezeit wesentlich höher ist als bei ihr. Sein Tod
verhindert jetzt nicht, dass solche Ansprüche noch geklärt werden müssen.
Haften würde in diesem Fall die Schwester als die Alleinerbin.
Wäre nach Ansicht des Nachlassgerichts die Ehe
nicht scheidungsreif gewesen, hätte die Ehefrau ihr Ehegatten-Erbrecht
behalten. In einem solchen Fall hätte sie als Erbin keinen gesonderten
Zugewinnausgleichsanspruch mehr geltend machen können.
Völlig leer geht in diesem Zusammenhang die
neue Lebensgefährtin von Hans aus. Sie hat mangels Testament überhaupt kein
Erbrecht. Allerdings hat die Lebensgefährtin 100.000,00 Euro aus einer extra
für den Fall des Todes zu ihren Gunsten abgeschlossenen
Risikolebensversicherung erhalten. Diese Lebensversicherung steht ihr auch zu,
da sie mit dem Nachlass von Hans nichts zu tun hat. Er hätte jeden Beliebigen
hier als Begünstigten für den Todesfall einsetzen können.
Man sieht an diesem Fall, dass das Leben
manchmal ungeplante Entwicklungen bringt. Der gerade einmal 48-jährige Hans
rechnete offensichtlich nicht mit seinem baldigen Ableben.
Deshalb rät der saarbrücker Fachanwalt für
Erbrecht Marwin H. Roth in allen Fällen einer Trennung oder bei Einleitung eines
Scheidungsverfahrens, dass jeder Ehegatte für sich selbst ein wirksames
Testament neu verfasst, um zu verhindern, dass der getrennt lebende Ehegatte
gesetzlich erbt oder um sicherzustellen, dass ein neuer Lebensgefährte erben
kann.
Nur wer ein Testament errichtet, schließt die
gesetzliche Erbfolge, wie sie hier bei Hans und Petra zur Anwendung gelangte,
aus. Besteht im Falle einer Trennung oder Scheidung ein gemeinsames
Ehegattentestament (Berliner Testament), ist es dringend zu empfehlen, dieses
wirksam zu widerrufen.
Bei solchen neuen Entwicklungen wie Trennung,
Scheidungsantrag, Eintritt eines Lebensgefährten noch während des Andauerns einer
Ehe, sollte jeder Betroffene sich den Rat eines erfahrenen Fachanwalts für
Erbrecht einholen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden und vor allen
Dingen auch Vorsorge zu treffen.