Hans P. ist im Alter von 84 Jahren verstorben. Die letzten 10 Jahre war er hilfsbedürftig, davon 5 Jahre pflegebedürftig. Seine Frau ist vor ihm verstorben. Hans P. hat 2 Töchter, Laura, die in seiner Nähe wohnt und Petra, die in Berlin wohnt.
Laura hat sich um ihren hilfsbedürftigen Vater über Jahre hinweg gekümmert. In den letzten 5 Jahren vor seinem Ableben war sie täglich bei ihm, hat ihm bei seiner Lebensführung geholfen, für ihn eingekauft, gekocht, geputzt, ihm häufig Gesellschaft geleistet, gespült und seine Wohnung alltäglich in Ordnung gehalten. Er hatte zusätzlich einen Pflegedienst, der zweimal täglich kam, um rein pflegerische Leistungen zu erbringen. Der Pflegegrad betrug erst 2 später 3. Laura war durchschnittlich jeden Tag 3 bis 4 Stunden bei ihrem Vater. Hätte sie das nicht gemacht, hätte der Vater sein Wohnhaus verlassen müssen und in ein Altenheim umziehen müssen. Laura kam auch abends häufig und schaute nach ihm, sie hatte einen Notruf in ihre Wohnung organisiert, falls er nachts Hilfe benötigt.
Als der Vater verstorben war, trat gesetzliche Erbfolge ein, weil kein Testament existierte, d.h. beide Töchter haben zu je 1/2 geerbt. Laura lässt sich bei dem Saarbrücker Erbrechtsspezialisten Fachanwalt für Erbrecht Marwin H. Roth darüber beraten, ob ihr aus dem Erbe mehr zusteht, als ihrer Schwester, weil sie schließlich den Vater über Jahre versorgt hat. Bei der Beratung erfuhr sie, dass sie einen Anspruch nach § 2057 a BGB hat, dass ihr aus dem Nachlass ein gewisser Mehrbetrag zusteht. Sie hat keinen Lohnanspruch, sondern sie hat einen Anspruch darauf, dass ihre Leistungen nachvollziehbar bewertet werden und dann eine höhere Teilhabe am Nachlass erhält. Maßgeblich ist, ob durch die Leistungen der Laura gegenüber ihrem Vater das Vermögen des Vaters, welches nachher in den Nachlass gelangt, geschont wurde. Wäre er nämlich in einem Seniorenheim gelandet, dann wären erhebliche Kosten jeden Monat abgegangen und wäre möglicherweise ein Großteil des Erbes nicht mehr vorhanden, weil dies für Kosten des Altenheims aufgebracht worden wären. Diese Gegenbetrachtung muss man anstellen.
Hätte also Laura 4200 Stunden an Leistungen in 3-4 Jahren für ihren Vater erbracht, die sie auch noch plausibel erklären kann – am besten ist ein Pflegetagebuch – könnte eine Rechnung aussehen wie folgt:
360 Tage mal 4 Stunden = 1.440 Stunden im Jahr mal 13,00 € mal 3 Jahre, so käme ein theoretischer fiktiver Anspruch von rund 56.000,00 € zustande. Diese Summe muss dann in das Verhältnis zu der Höhe des Erbes gesetzt werden. Würde das Erbe beispielsweise gerade einmal 75.000,00 € ausmachen, wäre nicht der komplette Betrag in Ansatz zu bringen.
Im konkreten Erbfall machte das Erbe jedoch rund 300.000,00 € Hauswert und 200.000,00 € Ersparnisse aus, d.h. 500.000,00 €.
Folglich konnte der Fachanwalt für Erbrecht Marwin H. Roth Laura bestätigen, dass sie rund 56.000,00 € aus dem Nachlass vorab erhält und der dann verbleibende restliche Nachlass durch zwei geteilt wird und jeder folglich vom Rest die Hälfte erhält.
Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung (§ 2057 a BGB) ist, dass der künftige Erbe, der in erheblichem Umfang durch persönlichen Einsatz den Elternteil versorgte, nicht so behandelt wird, wie derjenige, der keinerlei messbare Beiträge zur Ersparnis des Vermögens erbracht hat. Diese Betrachtung soll eine Ungerechtigkeit verhindern.
Der Erblasser selbst könnte durch ein Testament derartige Leistungen auch gesondert berücksichtigen, z.B. durch ein Vorausvermächtnis. Häufig sind diese Ansprüche, wenn sie von dem oder den anderen Kindern bei der Nachlassverteilung geltend gemacht werden, streitig und führen sehr häufig zu unerfreulichen Auseinandersetzungen. Deshalb sollte das pflegende Kind des Erblassers möglichst ein Pflegetagebuch über die gesamte Zeit führen, um die einzelnen Leistungen und die Dauer nachvollziehbar zu machen. Dies hilft bei der Beweisführung für erbrachte Leistungen.
Ein solcher Ausgleichsanspruch besteht nur unter den Kindern selbst. Ehegatten haben einen solchen Anspruch nicht, sonstige Dritte ebenfalls auch nicht.
Sollte also in einem Erbfall eines der Kinder Pflegeleistungen erbracht haben, kann es sich durchaus auch wirtschaftlich lohnen, diese Ansprüche prüfen zu lassen und ggf. auch als Forderung in den Nachlass einzubringen.
mitgeteilt durch Rechtsanwalt Marwin H. Roth, Fachanwalt für Erbrecht und Arbeitsrecht und zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) in Saarbrücken