Ein nicht so seltener Fall in Großstädten beschäftigte kürzlich den Saarbrücker Fachanwalt für Erbrecht Marwin H Roth:
Die 88-jährige Frau K., die alleine und zurückgezogen in einer Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses wohnte, verstarb in ihrer Wohnung. Sie war offensichtlich beim Fernsehschauen in einem Sessel überraschend verstorben. Da die Verstorbene, Frau K. aufgrund ihres hohen Alters nur noch wenige Sozialkontakte hatte, insbesondere auch keine Kontakte zu ihrer Wohnungsnachbarschaft, blieb ihr Ableben unbemerkt. Frau K. hatte einen Sohn, der in London lebt und arbeitet. Er telefonierte mit seiner Mutter im Durchschnitt alle 2 Monate. Die einzigen regelmäßigen Sozialkontakte hatte Frau K. mit ihrer Hausarztpraxis. Freunde/innen/Verwandte hatte sie aufgrund ihres Lebensalters keine mehr.
Der Leichnam von Frau K. blieb insgesamt 3 Wochen auf dem Fernsehsessel liegen und begann dort relativ schnell mit der natürlichen Verwesung. Der Reinemachefrau der Mietergemeinschaft fiel dann nach ca. 3 Wochen auf, als sie den Flur reinigte, dass aus der Wohnung von Frau K. starke unangenehme Gerüche kamen. Sie meldete dies der Hausverwaltung, diese konnte auch mit Klopfen an der Tür keinen Kontakt herstellen. Frau K. meldete sich weder auf klingeln, noch auf Klopfen, noch telefonisch. Die Hausverwaltung informierte die Polizei, die die Wohnung öffnen ließ. Was diese Personen dort vorfanden war scheußlich: In der Wohnung waren tausende von Fliegern, alles übersät mit Fliegenleichen, ein infernalischer Verwesungsgestank stand in der Wohnung. Dabei entdeckte man den teilweise bereits verwesten Leichnam von Frau K.
Was sind nun die Rechte und Pflichten der Erben/des Vermieters in dieser Situation?
Die Miete war monatlich pünktlich abgebucht worden. Der Vermieter veranlasste in Abstimmung mit der Polizei eine sofortige Spezialreinigung der Wohnung, da die ausgetretenen Flüssigkeiten großflächig verbreitet waren, Teppichböden und Estrich waren kontaminiert. Nach Recherchen konnte man Kontakt zu dem Sohn in London herstellen, er erklärte, er habe keine Zeit sich zu kümmern. Die Erblasserin war nicht vermögenslos, wie die Kontostände zeigten. Es dauerte etwa 4 Wochen, bis die notwendigsten Arbeiten vom Vermieter gemacht waren. Der Sohn erklärte, dass er an dem Mobiliar und an den persönlichen Gegenständen – mit Ausnahme einzelner Wertgegenstände – kein Interesse habe, er hatte aber das Erbe angenommen. Er kündigte die Wohnung als Erbe fristgemäß.
Nun meinte der Vermieter, für die erheblichen Aufwendungen, die er hatte
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Beseitigung der Spuren der Verwesung,
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Reinigung der Wohnung und Geruchsbeseitigungsmaßnahmen
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bauliche Renovierungsmaßnahmen
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Ausräumarbeiten
könne er beim Sohn Schadensersatz nehmen. Der Vermieter musste zusätzliche Arbeiten beauftragen, wie teilweise Beseitigung des Estrichs, den entsprechenden Reparaturmaßnahmen. Der Aufwand des Vermieters belief sich auf rund 8.200,00 €. 1.000,00 € kamen für die Räumung hinzu.
Wer kommt für die Kosten auf?
Der Erbe hatte die Wohnung ordnungsgemäß gekündigt und schuldet die Miete deshalb nur bis zum Ende der Kündigungsfrist (3 Monate). Er lehnte weitere Forderungen des Vermieters ab, mit Ausnahme der Kosten für die Räumung.
Der Vermieter musste zu seinem großen Entsetzen bei einer Erbrechtsberatung feststellen, dass er leider keine sonstigen Ansprüche gegenüber dem Erben auf Schadensersatz für seine Aufwendungen geltend machen kann. Warum?
Verschiedene Gerichte haben entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Erben deshalb nicht gegeben ist, weil es an Verschulden des Mieters fehlt. Stirbt ein Mensch, ohne dass er den Tod selbst herbeigeführt hat (z.B. Suizid) ist das Sterben ein nicht steuerbares Ereignis. Es mangelt an Verschulden des Sterbenden (Mieters). Ohne Verschulden gibt es jedoch keine Schadensersatzforderung.
Im Konkreten Fall musste also die Eigentumsbeschädigung durch die Verwesungsfolgen der Vermieter selbst bezahlen und konnte seinen Schaden nicht beim Erben geltend machen. Dies ist eine bittere Erkenntnis, die aber der Rechtslage entspricht.
mitgeteilt durch Rechtsanwalt Marwin H. Roth, Fachanwalt für Erbrecht und Arbeitsrecht und zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) in Saarbrücken