Vergütungspflicht innerbetrieblicher Umkleide- und Wegezeiten
Mit Urteil vom 26.10.2016 (5 AZR 168/16) hat das Bundesarbeitsgericht u. a. entschieden, dass das Umkleiden Teil der vom Arbeitnehmer geschuldeten und ihm daher zu vergütenden Arbeitszeit ist, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss. Dem Rechtsstreit zugrunde lag folgender Sachverhalt:
Der Kläger war von der nicht tarifgebundenen Beklagten im Bereich der Lebensmittelproduktion eines Kunden eingesetzt. Er bezog einen Stundenlohn. In dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag hieß es u. a. :
„Aufgrund der bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygieneverordnung ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, den Dienst täglich mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und zu erfüllen. Die Bedienung der Zeiterfassungsanlage, d. h. das An- und Abstempeln, hat ausschließlich persönlich, und zwar immer in einwandfreier Dienstkleidung zu erfolgen.
Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.“
Die Arbeitskleidung wurde von der Beklagten gestellt. Sie durfte nach den für die Tätigkeit des Klägers geltenden Hygienevorschriften nicht mit nach Hause genommen werden und war im Betrieb an- und abzulegen. Hierzu musste der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes die Arbeitskleidung an einer Ausgabestelle abholen, sich in einem Umkleideraum umziehen und anschließend im Bereich der Pforte an einer ersten Stempeluhr, die dazu diente, die Anwesenheit im Betrieb zu registrieren, abstempeln. Danach hatte er sich zum Betriebsgebäude zu begeben und dort an einer zweiten Stempeluhr erneut zu stempeln. Der Vorgang war nach Schichtende in umgekehrter Folge zu absolvieren.
Der Kläger begehrte im Klagewege Vergütung für die an 737 Arbeitstagen mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung verbundenen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten. Die Beklagte trat in den Vorinstanzen im Wesentlichen dem Klageantrag mit dem Vortrag entgegen, wonach laut Arbeitsvertrag nur die Zeit nach Betätigen der zweiten Stempeluhr vergütungspflichtig sei.
Die Vorinstanzen hatten dem Kläger dem Grunde nach Recht gegeben. Allein die vergütungspflichtige Umkleide- und Wegezeit wurde von arbeitstäglich 36 auf 27 Minuten reduziert.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger und den vorinstanzlichen Gerichten Recht. Es verwies nochmals in aller Deutlichkeit darauf, dass die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers an die Leistung der versprochenen Dienste des Arbeitnehmers anknüpft. Zu diesen „versprochenen Diensten“ zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im arbeitsvertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnis verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.
Laut BAG verspricht der Arbeitgeber die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden (hier: arbeitgeberseitigen) Bedürfnisses dient.
Der Kläger hatte demnach mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung und dem Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege eine Arbeitsleistung erbracht, die als Teil der versprochenen Dienste vergütungspflichtig war.
Zur Arbeit gehören also dann das Umkleiden und Zurücklegen der hiermit verbundenen innerbetrieblichen Wege, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss, und er das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet.
In diesen Fällen ist das Umkleiden und das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege Teil der vom Kläger geschuldeten und vom Arbeitgeber demnach zu vergütenden Arbeitsleistung. Etwas anderes hätte nur dann gegolten, wenn die Vergütungspflicht nicht abbedungen oder vorliegend abweichend geregelt worden wäre. Denn grundsätzlich kann durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden.
Der Rechtsanwalt und für Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Daniel Thimig steht Ihnen für Fragen im Zusammenhang mit den jeweiligen Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, wie in dem hier beispielhaft dargelegten Fall, als auch für darüber hinausgehende Fragestellungen rund ums Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.